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Der größte Fluss der Welt fließt über dem Amazonas-Regenwald durch die Luft – in Form von riesigen Wolkenströmen. Fliegende Flüsse spielen eine zentrale Rolle für den Regenwald und somit auch für unseres gesamtes Weltklima. Vollständig erforscht sind sie noch nicht – aber sie drohen zu verschwinden.

Der Amazonas-Regenwald ist so groß, dass er seinen eigenen Regen macht – und auch den Regen für weit entfernte Regionen in Südamerika. Die Luftströmungen, die diese Wassermassen transportieren, werden Fliegende Flüsse genannt. Diese Fliegenden Flüsse sind Ströme von Wasserdampf, die riesige Massen an Feuchtigkeit von einem Ort an den nächsten transportieren – und das über unseren Köpfen. Im Grunde sind fliegende Flüsse also Wolkenströme. Doch die Bezeichnung als Fluss ist dennoch mehr als angemessen, denn in diesen Luftströmen wird mehr Wasser transportiert als in irgendeinem Fluss auf der Erdoberfläche.

Besonders für den Amazonas-Regenwald sind fliegende Flüsse von großer Bedeutung – denn ohne sie könnte der Wald überhaupt nicht existieren.

 

Wie entstehen fliegende Flüsse und wie funktionieren sie?

Über dem atlantischen Ozean und im Amazonasbecken verdunstet Wasser, welches dann von Ost nach West ins Landesinnere zieht.  

Auf ihrer Reise über den tropischen Regenwald nimmt dieser tropische Luftstrom immer mehr Feuchtigkeit auf, die durch Verdunstung über dem Regenwald entsteht. Bis zu 20 Milliarden Tonnen Wasser führt dieser fliegende Fluss. Zum Vergleich: Der Amazonas – der größte Fluss der Erde – der sich unter den fliegenden Flüssen entlangschlängelt, entlässt täglich ungefähr 17 Milliarden Tonnen Wasser in den atlantischen Ozean. Der größte Fluss der Welt fließt also durch den Himmel. 

Von diesen 20 Milliarden Tonnen Wasser regnet etwa die Hälfte bereits über dem Amazonas-Regenwald ab. Die andere Hälfte der riesigen Wassermassen reist mit dem Passatwind bis zu den Anden – einer 6.000 Meter hohen Gebirgskette im Westen des Kontinents. Dort werden sie nach Süden und Südosten abgelenkt. In einem Bogen entlang der Anden bis nach Südbrasilien regnen sich die riesigen Wolkenströme dann vollständig ab.

 

Warum gibt es im Regenwald so viel Feuchtigkeit? 

Gute Frage: Wieso nehmen die fliegenden Flüsse gerade über dem tropischen Regenwald so viel Feuchtigkeit auf? Paradoxerweise verdunstet auf einem Quadratmeter Waldfläche mehr Wasser, als auf einem Quadratmeter des Ozeans. Ein einzelner Baum im Amazonas-Regenwald kann an einem einzigen Tag bis zu 1.000 Liter Wasser in die Atmosphäre leiten. Eine Weide- oder Feldfläche hingegen kann nur einen sehr geringen Bruchteil dieser Wassermenge abgeben.

Das Verdunsten von Wasser über Pflanzen nennt man Transpiration. Sie ist ein wichtiger Teil des Wasser- und Nährstofftransportes von den Wurzeln in die Blätter der Pflanzen. Bei Bäumen ist die Transpiration besonders hoch, weil ihr dichtes Blattwerk der Sonne besonders viel Fläche bietet. 

Aber nicht nur die Pflanzen verdunsten Wasser. Auch aus den Böden und aus Bächen, Flüssen und Seen wird durch Verdunstung Wasser in die Luft abgegeben. Betrachtet man also eine Waldfläche, so hat man sowohl die Verdunstung über die Pflanzen, als auch über Böden und Wasseroberflächen. Diese Gesamt-Verdunstung wird Evapotranspiration genannt.

Warum sind fliegende Flüsse so wichtig?

Prof. Dr. Antonio Donato Nobre, einer der führenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet, vergleicht die Funktion der fliegenden Flüsse mit dem menschlichen Körper: „Wasser ist wie Blut“, erklärt er in einem TED-Talk. „Die Blutzirkulation versorgt unseren Körper mit frischem Blut […] In Amazonien geht es ähnlich zu.“

Die fliegenden Flüsse versorgen nämlich den ganzen südamerikanischen Kontinent mit Wasser und sind die Lebensquelle ganzer Ökosysteme. In denselben Breitengraden auf anderen Kontinenten – wie zum Beispiel Afrika und Australien – ist die Landschaft südlich des Äquators von Wüsten, Savannen und Steppen dominiert. Südamerika bildet mit seinen weitestgehend grünen Landschaften eine faszinierende Ausnahme. Nur westlich der Anden gibt es ein paar Wüsten.

Dies ist nur durch die riesige Fläche des Amazonas-Regenwaldes möglich, denn jeder einzelne der rund 390 Milliarden Bäume in diesem Tropenwald speist durch die Verdunstung die fliegenden Flüsse. Wo die fliegenden Flüsse fließen, erhöht sich die Luftfeuchtigkeit um 20 bis 30 Prozent – manchmal sogar um 60 Prozent! Dieses feuchte Klima erhält nicht nur den Regenwald selbst, sondern ist auch die Lebensgrundlage der unzähligen Tier- und Pflanzenarten, die dort wohnen.

Kurz zusammengefasst: Ohne Bäume kein Regen. Und ohne Regen droht die buchstäbliche Verwüstung des südamerikanischen Kontinents. Diese gravierende Veränderung wäre allerdings nicht nur in Südamerika zu spüren, sondern auf der ganzen Welt. Denn der Regenwald spielt eine Schlüsselrolle in unserem Weltklima

 

Keine fliegenden Flüsse – kein Regenwald – kein… ?

Der Amazonas-Regenwald ist der größte Regenwald der Welt und trägt eine riesige Rolle im Klima unserer Erde: Er speichert etwa 123 Milliarden Tonnen Kohlenstoff – wenn dieses freigesetzt würde, hätte das einen riesigen Einfluss auf das Weltklima. Der globale Klimakollaps wäre kaum noch aufzuhalten.

Obwohl dies schon lange bekannt ist, wird der Regenwald noch immer abgeholzt. Einer Studie zufolge wurden bis 2023 bereits mindestens 17 Prozent der ursprünglichen Regenwaldfläche komplett abgeholzt. Gründe für die Rodung sind z.B. der Anbau von Soja, welches zu Futter für die Rindfleischproduktion weiterverarbeitet wird.

Die Folgen sind bereits zu spüren. In den Jahren 2014 und 2015 gab es in Südamerika die schlimmste Dürre seit 80 Jahren – und das, obwohl Brasilien einen der größten Wasservorräte der ganzen Welt hat. Im Jahre 2014 ging der Millionenstadt São Paulo im Südosten des Landes fast das Wasser aus. Beinahe jedes Jahr sind Brasilien sowie andere süd- und mittelamerikanische Länder jährlich von extremen Dürren betroffen – so auch 2023. Wissenschaftler*innen setzen diese mit der Abholzung des Amazonas-Regenwalds in Verbindung. Weil auf den unbewaldeten Flächen weniger Wasser verdunstet, wird auch weniger Feuchtigkeit entlang der Anden Richtung Süden transportiert. Daher erhielt das Wassereinzugsgebiet der 100 Kilometer vom Amazonas entfernten Millionenstadt zu wenig Regen.

Klimaforscher*innen sind der Ansicht, dass sich der Amazonas-Regenwald einem Kipppunkt nähert. Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, welche die Destabilisierung des Regenwaldmonsuns untersucht, hat dies nun bestätigt. Der amerikanische Wissenschaftler Thomas E. Lovejoy und sein brasilianischer Kollege Carlos Nobre gehen davon aus, dass bei einem Verlust von 20 bis 25 Prozent des Tropenwaldes das System in sich zusammenbricht und die Desertifikation – das heißt die Ausbreitung von Steppen und Wüsten – nicht mehr aufzuhalten ist.

Die Lage ist also ernst – aber es gibt noch Vieles, was getan werden kann. Forschung liefert hierfür die wissenschaftlichen Grunderkenntnisse.

Wie werden fliegende Flüsse erforscht?  

Um die Bedeutung der fliegenden Flüsse richtig zu verstehen, ist ihre Erforschung enorm wichtig. Zwei der führenden Experten auf dem Gebiet der fliegenden Flüsse sind die beiden Klimatologen Prof. Dr. Antonio Donato Nobre vom National Institute of Amazonia Research und Dr. José Marengo, von der Universität São Paulo. Letzterer gab den fliegenden Flüssen ihren Namen und prägte ihn als wissenschaftlichen Begriff.

Nobre, Marengo und ihre Kolleg*innen erforschen fliegende Flüsse mithilfe einer ziemlich beeindruckenden Messstation: Mitten im brasilianischen Regenwald steht der 325 Meter hohe Forschungsturm ATTO (kurz für  „Amazon(ian) Tall Tower Observatory“).

Dieser rot-weiße Turm ist der bisher höchste Klimamessturm der Welt und ist das Ergebnis von einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Brasilien und Deutschland. Eröffnet wurde der Turm 2015. Seitdem werden Tag ein, Tag aus Klimadaten gesammelt: Temperatur, Treibhausgase, Regenbildung – und der Transport von Luftmassen. Diese Daten helfen den Forscher*innen dabei, fliegende Flüsse besser zu verstehen und zu ermitteln, was getan werden kann, um sie vor der Austrocknung zu schützen.

Wie steht es gerade um die fliegenden Flüsse und was kann getan werden, um sie zu erhalten?

Um die fliegenden Flüsse vor der Austrocknung zu bewahren und somit auch all ihre für Mensch und Natur lebenswichtigen Funktionen, muss der Amazonas-Regenwald unbedingt erhalten bleiben.

Eine maßgebliche Rolle spielt hier die Politik. Rund 60 Prozent des Amazonas-Regenwaldes liegen in Brasilien. Jair Bolsonaro, der ehemalige brasilianische Präsident, der von 2019 bis 2023 im Amt war, hatte die Entwaldung Amazoniens derartig vorangetrieben, dass 2021 die höchste Entwaldungsrate seit Jahrzehnten erreicht wurde. „Der Amazonas gehört uns“, erklärte Bolsonaro 2019. Kein anderes Land habe das Recht, über den Regenwald zu entscheiden.

Mit korrupten Mitteln wurde diese umweltschädliche und menschenfeindliche Politik durchgesetzt: 2019 wurde der Wissenschaftler Ricardo Galvão, der Direktor einer Institution, die Entwaldung überwacht, gefeuert. Er hatte den Präsidenten offen für seine Umweltpolitik kritisiert. 

Doch nun gibt es einen politischen Hoffnungsschimmer. Am 1. Januar 2023 löste Luiz Inácio Lula da Silva – meist nur Lula genannt – Jair Bolsonaro als brasilianischen Präsidenten ab. Der linksorientierte Politiker hat es geschafft, in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit die Entwaldung im Land um 34 Prozent zu reduzieren. Er verspricht einen „neuen Amazonas-Traum“ – einen nachhaltigeren Umgang mit der Natur, von dem auch die Menschen profitieren sollen. 
Lulas Maßnahmen, um den tropischen Regenwald Amazoniens zu schützen, sind ambitioniert: Bis 2030 – in also sieben Jahren – möchte Lula die Entwaldung im Amazonas-Regenwald komplett beenden. Dies ist ein hervorragender Anfang, aber stellt auch eine große Herausforderung dar. 

 

 

 

 

Gemeinsam die fliegenden Flüsse retten

Auch die europäische Politik nimmt Einfluss auf den Amazonas-Regenwald. Das heiß debattierte Mercosur-Abkommen, zum Beispiel, würde in seiner jetzigen Form den Handel von klimaschädlichen Produkten zwischen EU- und südamerikanischen Staaten fördern. Auf diese Weise würde es noch viel schwieriger werden, den Amazonas-Regenwald zu schützen. Deshalb ist es wichtig, dass zivilgesellschaftliche Organisationen immer wieder Alternativen für die Politik aufzeigen. So hat die Bewegung Together4Forest in den letzten Jahren auf europäischer Ebene darauf eingewirkt, das es bald ein Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten gibt. Dieses tritt 2024 in Kraft, ein großer Erfolg.

Kampagnen wie diese zeigen, dass jede einzelne Person, ob vor Ort in Brasilien oder anderswo auf der Welt, aktiv werden kann – und wie viel wir zusammen bewirken können! Zahlreiche internationale Projekte kümmern sich engagiert um den Schutz und um die nachhaltige Wiederherstellung von Tropenwaldgebieten. Und auch im alltäglichen Gebrauch kann viel für den Regenwaldschutz getan werden. Unser Konsum von Lebensmitteln und anderen Gütern, zum Beispiel Holz und Papier, kann sich positiv oder negativ auf dem Regenwald auswirken. Hier gibt es Tipps zu einem nachhaltigen Verbrauchsverhalten! 

Wiederaufforstung und Klimaschutz fördern

Mit Ihrer Spende unterstützen Sie konkrete Projekte zum Schutz des Regenwalds. Damit leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum Arten- und Klimaschutz und helfen den Menschen vor Ort. Vielen Dank!

Setzen Sie Ihre Expedition fort:

Gesellschaft und Politik

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Unsere Projekte

Erfahren Sie mehr über unsere Projekte: Regenwaldschutz und Entwicklungszusammenarbeit gehen Hand in Hand.

Regenwald in der Schule

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OroVerde - Die Tropenwaldstiftung
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