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Die „EU-Taxonomie“ ist ein europäisches Gesetz, das EU-weit einheitliche Kriterien für eine Schlüsselfrage unserer Zeit liefern soll: Was ist ökologisch nachhaltiges Wirtschaften?

Diese Kriterien sollen die für den Umwelt- und Klimaschutz relevantesten Wirtschaftszweige (unter anderem Forst-, Energie-, Wasser- und Transportwirtschaft) klare Anhaltspunkte geben, nach denen sie die Nachhaltigkeit ihres wirtschaftlichen Handelns analysieren können. Aufbauend auf diesen Analysen ist die Finanzwirtschaft wiederum verpflichtet auszuweisen, welche Teile ihrer Investitionen den Nachhaltigkeitskriterien der Taxonomie entsprechen. Investor*innen können die so erhöhte Transparenz nutzen, um nachhaltigere Anlageentscheidungen zu treffen.

Damit ist die Taxonomie ein zentraler Baustein dafür, die Finanzierung von Geschäftsmodellen zu fördern, die grüne Zukunftstechnologien entwickeln oder deren Nachhaltigkeit - wie beim naturnahen Waldbau - schon praxiserprobt ist. Dies soll unter anderem die Klimakrise und den Verlust von biologischer Vielfalt effektiv bekämpfen und so den Weg für einen zukunftsfähigen Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft im Rahmen des EU-Green-Deal zu bahnen. Auch Bürger*innen und Kleinanleger*innen soll sie zur Orientierung dienen, ob Unternehmen sich ehrlich um nachhaltiges Wirtschaften bemühen oder Greenwashing betreiben.

6 Umweltziele, an denen sich die Bewertung für die EU-Taxonomie orientiert:

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1.
Klimaschutz;
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2.
Anpassung an den Klimawandel;
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3.
Nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen;
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4.
Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft
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5.
Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung;
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6.
Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität.

Die jeweiligen Kriterien für jedes dieser Umweltziele werden in separaten Verordnungen definiert.

Während die Verordnung zu dem Umweltzielen 1 und 2 bereits in Kraft getreten ist, befindet sich die Verordnung für die Umweltziele 3-6 noch im Entwurfsstadium. Außerdem wird es zu mehreren Themen – beispielsweise zu Berichterstattungspflichten oder Landwirtschaft – noch ergänzende Verordnungen geben. Die Taxonomie ist also noch nicht fertiggestellt. Deshalb finden Sie auf dieser Seite regelmäßig aktualisierte Informationen und Analysen zum gegenwärtigen Stand der Dinge.

Alles auf einen Blick

Die Inhalte der EU-Taxonomie im Überblick.

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Voraussetzung für Wirksamkeit: Beratung und gesellschaftlicher Druck

Die Definition einheitlicher Nachhaltigkeitskriterien ist ein Schritt von kritischer Bedeutung für die zukunftssichere Umgestaltung unserer Wirtschaft sowie den Kampf gegen den Verlust von Biodiversität und die Klimakrise. Das machte unter anderem der heftige Streit um die Einstufung von Atomkraft- und Erdgas als nachhaltige Energiequellen deutlich.

Wir wollen Bürger*innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen Anhaltspunkte liefern, wo sie genau hinschauen und Druck ausüben müssen, damit die EU-Taxonomie wirklich ihren Zweck erfüllt, statt zu einem zahnlosen Papiertiger zu verkommen. Gleichzeitig wollen wir Unternehmen und politische Entscheidungsträger*innen dabei unterstützen, die ambitionierten ökologischen Zielen nicht aus den Augen zu verlieren sowie frühzeitig Herausforderungen für Umsetzung und Überprüfung zu erkennen.

Zeitplan zur Fertigstellung der EU-Taxonomie

Grundlegende Elemente der EU-Taxonomie

Gemeinsam mit der 2019 verabschiedeten Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR, nach dem englischen Titel) bildet die Taxonomie die ersten beiden Bausteine zur Umsetzung des EU-Aktionsplans zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum. Die SFDR verpflichtet Finanzmarktakteur*innen, transparent zu machen, inwiefern sie Nachhaltigkeitsaspekte beachten. Der EU-Aktionsplan gehört wiederum zum EU-Green Deal, mit dem die EU Klimaneutralität bis 2050 sowie die Entkopplung von Wachstum und Ressourcennutzung erreichen will.

Die EU-Taxonomie besteht aus der Taxonomie-Verordnung selbst, welche die Rahmenstruktur der Taxonomie vorgibt sowie zusätzlichen sogenannten „delegierten Rechtsakten“. In diesen bisher nur teilweise fertiggestellten ergänzenden Verordnungen werden die spezifischen Nachhaltigkeitskriterien für unterschiedliche Wirtschaftsbereiche festgelegt.

Die Rahmenstruktur der Taxonomie-Verordnung

Die Taxonomie-Verordnung an sich trat im Juli 2020 in Kraft und gibt die Rahmenstruktur der Taxonomie vor. Als wichtigste Grundlage der Nachhaltigkeits-Einstufung definiert sie sechs Umweltziele (vgl. Taxonomie-Verordnung, Art. 9):

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Um im Rahmen der Taxonomie als nachhaltig eingestuft zu werden, muss eine Wirtschaftsaktivität neben der Beachtung der wichtigsten internationalen Abkommen zu Arbeits- und Menschenrechten (u.a. UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, IAO-Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, vgl. Taxonomie-Verordnung, Art. 18), einerseits einen „wesentlichen Beitrag“ zu mindestens einem dieser Umweltziele leisten und darf andererseits keines der anderen Umweltziele „erheblich“ beeinträchtigen.

Genau hier liegen zwei Knackpunkte für die weitere Ausgestaltung und die tatsächliche Wirksamkeit der Taxonomie: Was genau stellt einen wesentlichen Beitrag dar und was eine erhebliche Beeinträchtigung? Die Taxonomie-Verordnung selbst liefert dafür zwar grobe Orientierungen (vgl. Taxonomie-Verordnung, Art. 10 bis 16), die Definition der genauen technischen Bewertungskriterien aber in delegierte Verordnungen verlagert. Diese werden also am Ende entscheidend für die tatsächliche Wirkkraft der Taxonomie sein. Ihre Ausgestaltung sollte dementsprechend von zivilgesellschaftlicher Seite eng begleitet werden.

Die Plattform für nachhaltige Finanzen

Eine wichtige Rolle spielt dabei unter anderem die Plattform für nachhaltige Finanzen, ein Expert*innen-Gremium mit ursprünglich 68 Mitgliedern aus Wissenschaft, Finanzwirtschaft und Zivilgesellschaft, welches die EU-Kommission zur Ausgestaltung der Taxonomie berät. Für die 2023 angelaufene zweite Mandatsperiode wurde die Plattform auf 49 Mitglieder verkleinert. 28 Mitglieder wurden in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren ausgewählt. 7 Plätze sind über Artikel 20 der Taxonomie-Verordnung für europäische Institutionen wie die europäische Bankenaufsicht, die EU-Umweltbehörde und die Europäische Investmentbank reserviert. Die letzten 14 Sitze mit Beobachter*innenstatus haben weitere europäische und internationale Institutionen wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OECD) und die Europäische Zentralbank inne. Bereits  unter den 68 Mitgliedern während der ersten Mandatsphase waren zivilgesellschaftliche Organisationen im Vergleich zu Wirtschaftsvertreter*innen deutlich unterrepräsentiert. Nach der Reduzierung der Mitgliederzahl für die zweite Mandatsphase hat sich diese Problematik noch einmal verschärft. Unabhängige Wissenschaftler*innen sind ebenfalls kaum vertreten. 

Fünf ehemals in der Plattform vertretene NRO sahen diese Entwicklung bereits voraus und verließen die Plattform bereits im September 2022 im Protest. In einer öffentlichen Mitteilung kritisieren die Umwelt- und Verbraucher*innenschutz-organisationen, dass die EU-Kommission wiederholt die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Empfehlungen der Expert*innengruppe missachtet habe. Unter anderem bei den Themen Waldwirtschaft, Biomasse-Energie und bei der Einstufung von bestimmten Investitionen in Gas- und Atomenergie als nachhaltig sehen sie ein Einknicken vor Lobbyinteressen. Dies verstoße gegen die Taxonomie-Verordnung, die in Artikel 19 festlegt, dass die technischen Bewertungskriterien „sich auf schlüssige wissenschaftliche Erkenntnisse und auf das […] Vorsorgeprinzip stützen“ müssen. Diese Kritik spiegelt sich auch schon in der Stellungnahme der gesamten Plattform zu der delegierten Verordnung, auf deren Grundlage die Deklaration von Gas- und Atomkraft als nachhaltige Investitionen ermöglicht wurde wider.

Unter diesen Umständen sahen die fünf Organisationen keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und die Taxonomie in Gefahr, sich „von einem Goldstandard in ein Instrument institutioneller Grünfärberei“ zu verwandeln. Die Vorwürfe und die damit verbundenen Austritte stellen die Rahmenbedingungen für die Entwicklung der gesamten Taxonomie in Frage. Damit sind auch ihre Chancen gesunken, sich zu einem effektiven Werkzeug zur Förderung einer zukunftsfähigen Umgestaltung der europäischen Wirtschaft zu entwickeln.

Bis Anfang 2023 hat die Plattform unter anderem Vorschläge zu folgenden Themen veröffentlicht:

Außerdem hat die Plattform mehrere öffentliche Konsultationen zu den Taxonomie-Kriterien organisiert. Im WaldInvest II-Projekt setzt sich OroVerde gemeinsam mit dem Global Nature Fund mit der Bedeutung und den potentiellen Folgen der Taxonomie für Wälder, Klimawandel und Biodiversität auseinander. OroVerde-Mitarbeiter Jan Ohnesorge vertrat die Stiftung auch bei den entsprechenden öffentlichen Konsultationen.

Was wissen wir bisher über die Verordnungen zu technischen Bewertungskriterien?

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von delegierten Verordnungen: Die erste setzt sich mit in der Taxonomie-Verordnung definierten Umweltzielen und den entsprechenden technischen Bewertungskriterien auseinander, die zweite trifft ergänzende Regelungen zu bestimmten Spezialthemen.

Verordnungen zu den 6 Umweltzielen

Die technischen Bewertungskriterien dafür, was einen „wesentlichen Beitrag“ oder eine „erhebliche Beeinträchtigung“ für die unterschiedlichen Umweltziele der EU-Taxonomie ausmacht, sind wiederum auf zwei Verordnungen aufgeteilt:

  • Die erste ist als „Klima-Taxonomie“ bekannt. Sie bezieht sich auf die Umweltziele Klimaschutz sowie Anpassung an den Klimawandel (Umweltziele 1 und 2), wurde im Juni 2021 vorgelegt und trat zum 1.1.2022 in Kraft. Im Juni 2023 hat die EU-Kommission EU-Parlament und -Rat einen Entwurf für eine überarbeitete Fassung zur Überprüfung und Verabschiedung vorgelegt.
  • Für die kurz „Taxo 4“ genannte Verordnung zu den restlichen vier Umweltzielen (nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme) hatte die Plattform für nachhaltige Finanzen im März 2022 einen Vorschlag erarbeitet. Dieser besteht aus einem Konzeptpapier, in dem die Logik hinter der Kriterienentwicklung ausgeführt wird, sowie einem Anhang mit einer vollständigen Liste der vorgeschlagenen Kriterien. Im Rahmen der öffentlichen Konsultation wurde er auch von OroVerde kommentiert. Im April 2023 veröffentlichte die EU-Kommission einen ersten Entwurf. Dieser wich teilweise stark vom Vorschlag der Plattform für nachhaltige Finanzen ab. Unter anderem wurden die Sektoren Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei vollständig ausgeklammert. Im Juni 2023 legte die EU-Kommission nach einer öffentlichen Konsultationsphase EU-Parlament und -Rat einen angepassten Entwurf zur Prüfung im Trilog vor. Die finale Version wurde im November 2023 veröffentlicht und trat im Januar 2024 in Kraft.

In Bezug auf die Forstwirtschaft verlässt die Klimataxonomie sich weitgehend auf die Erstellung von Forstmanagementplänen. Nötig wären aber auch klare Vorgaben zur Bewirtschaftungsweise, da einige Praktiken der konventionellen Forstwirtschaft, beispielsweise Kahlschläge, zu erheblichen Kohlenstofffreisetzungen führen. Eine weitere Schwäche liegt in der Überprüfung, ob die Anforderungen erfüllt werden. Diese kann durch nationale Behörden oder nichtstaatliche Zertifizierungsagenturen erfolgen. Letztere würden aber vom auditierten Unternehmen selbst beauftragt, und die Klimataxonomie gibt keine Zulassungsvoraussetzungen für diese Zertifizierer vor. Dadurch ist zumindest fraglich, inwieweit ihre Bewertungen unabhängig und objektiv wären.

Besorgniserregend ist unter anderem, dass die bisher veröffentlichten Kriterien nicht verhindern, dass zusätzliche Rodungen stattfinden, um aus den geschlagenen Bäumen direkt Brennholz oder Holzpellets herzustellen. Das Verbrennen von Holz kann aber nur nachhaltig sein, wenn es sich um nicht sinnvoller verwertbare Holzreste handelt, z.B. aus defekten Möbeln oder altem Bauholz. Wird hier nicht nachgebessert, erhöht dies den Nutzungsdruck auf Wälder, vermindert die Bindung von CO2 in Holz und Böden und stellt eine Gefahr für die Biodiversität von Wald-Ökosystemen dar.

Wegen dieser und weiterer problematischer Bewertungskriterien hat eine Gruppe NRO aus sieben EU-Ländern, darunter Robin Wood aus Deutschland, Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die Aufnahme von Forstwirtschaft und Bioenergie in die Taxonomie eingereicht. Die für diese Sektoren aufgestellten Standards hätten keine wissenschaftliche Grundlage, seien nutzlos für die Eindämmung des Klimawandels, schädlich für die biologische Vielfalt und somit als Nachhaltigkeitskriterien nicht nur ungeeignet, sondern kontraproduktiv. Die Verpflichtung zur wissenschaftlichen Fundierung der Bewertungskriterien ist in Artikel 19 der Taxonomie-Verordnung festgeschrieben und wesentliche Bedingung für ein tatsächlich wirksames Regelwerk. Deshalb unterstützen OroVerde und Global Nature Fund die Klage.

Der Vorschlag der Plattform für nachhaltige Finanzen zur Taxo 4 vom Juni 2021 hingegen enthält Vorgaben zur Bewirtschaftungsweise. Es werden drei Bewirtschaftungsformen unterschieden: Plantagen mit exotischen Baumarten, Plantagen mit einheimischen Baumarten und naturnah bewirtschafteter Wald. Für jede Bewirtschaftungsart werden unterschiedliche Kriterien für die Anerkennung als taxonomiekonform vorgeschlagen. So müsste beispielsweise bei naturnah bewirtschaftetem Wald 10 Prozent  der Fläche stillgelegt werden. Plantagen mit exotischen Baumarten müssten hingegen 30 Prozent der Fläche stilllegen und weitere 20 Prozent  ebenfalls stilllegen oder in naturnahe Bewirtschaftung umwandeln.

Eine eingehende Analyse bietet der von OroVerde und dem Global Nature Fund gemeinsam verfasste Artikel "Macht die EU-Taxonomie Waldinvestments grüner?".

Durch die vollständige Ausklammerung der Forstwirtschaft aus dem im April 2023 vorgelegten Entwurf der EU-Kommission zur Taxo 4 ist jedoch weiterhin unklar, inwieweit diese Kriterien tatsächlich in die Taxonomie Eingang finden werden. Da die Forstwirtschaft gemeinsam mit den ebenfalls aus dem Kommissions-Entwurf ausgeklammerten Sektoren Landwirtschaft und Fischerei zu den für die Bewahrung und Wiederherstellung von Biodiversität wichtigsten Bereichen gehören, wirft diese Leerstelle große Fragezeichen auf.

Ein weiterer umstrittener Punkt im Kommissions-Entwurf aus dem April 2023 war die implizite Aufnahme von Kompensationsmaßnahmen unter dem Biodiversitätsziel (gleiches Prinzip wie Kompensationszahlungen für CO2-Emissionen im Flugverkehr). Die Plattform für Nachhaltige Finanzen hatte in ihrem Vorschlag vom Juni 2021 ausgeschlossen, dass Naturschutzaktivitäten gleichzeitig zur Kompensation von Biodiversitätsverlusten dienen können. In diesem Fall zeigte die öffentliche Kritik Wirkung, denn der angepasste Entwurf aus dem Juni 2023 schließt Kompensationsmaßnahmen wieder eindeutig aus. Dies werten OroVerde und GNF als wichtige Klarstellung, denn eine Kompensationsmaßnahme ist definitionsgemäß nur eine Wiedergutmachung und kann daher keinen wesentlichen Beitrag zum Biodiversitätsschutz leisten (vergleiche auch gemeinsame Stellungnahme zivilgesellschaftlicher Organisationen zum Taxo 4-Entwurf).

In der überarbeiteten Fassung der Klimataxonomie wurden Luft- und Schifffahrt auf Basis fossiler Brennstoffe unter bestimmten Bedingungen als taxonomiekonforme Übergangstechnologien aufgenommen. Dies erinnert an die Einstufung von Gas- und Atomkraft als unter bestimmten Bedingungen taxonomiekonform. OroVerde und GNF sprechen sich klar gegen Einstufungen fossiler Technologien als nachhaltig aus. Die EU-Taxonomie wird dem Ziel, Greenwashing entgegenzutreten, so nicht gerecht und verspielt Vertrauen von Marktteilnehmenden und Öffentlichkeit.

Verordnungen zu Spezialthemen

Es steht noch nicht fest, wie viele ergänzenden Verordnungen zu bestimmten Spezialthemen es im Rahmen der Taxonomie geben wird. Näheres ist bisher über drei bekannt:

  • Im Dezember 2021 wurde eine Verordnung verabschiedet, welche die Offenlegungspflichten für Unternehmen sowie Zeitrahmen, innerhalb derer die Informationen veröffentlicht werden, weiter spezifiziert. Für Nicht-Finanzunternehmen wird beispielsweise der Anteil taxonomiekonformer Aktivitäten am Umsatz als ein Kernindikator definiert, für Finanzdienstleister unter anderem ihr Anteil am gesamten Investitionsportfolio. Für das Berichtsjahr 2021 sind nur qualitative Einschätzungen vorgesehen, ab dem Berichtsjahr 2022 für Nicht-Finanzunternehmen bzw. 2023 für Finanzdienstleister greift die gesamte Verordnung, sodass auch quantitative Indikatoren angegeben werden müssen (vgl. auch FAQ der EU-Kommission zur Verordnung).
  • Da bei den Verhandlungen über die Klima-Taxonomie keine Einigkeit zur Nachhaltigkeitseinstufung von Gas und Atomkraft als Energiequellen erzielt werden konnte, wurden diese Themen zunächst ausgeklammert. Im Februar 2022 veröffentlichte die EU-Kommission eine ergänzende Verordnung, die im Juli 2022 vom EU-Parlament bestätigt wurde. Diese etabliert eine Unterscheidung zwischen nachhaltigen, Übergangs- und Basistechnologien und stuft Atom und Gas als Übergangstechnologien ein. Damit würde es möglich, noch über Jahre bestimmte Investitionen in die Nutzung dieser fossilen Energieträger als nachhaltig im Sinne der Taxonomie zu deklarieren. Im Falle der Atomkraft ist dies neben der Gefahren für Mensch und Umwelt durch radioaktive Strahlung, insbesondere wegen ihres weiterhin ungelösten Endlagerungsproblems für noch über Jahrtausende hochgiftig Abfälle problematisch. Aber auch Gas als fossiler Energieträger ist keine zukunftsfähige Energiequelle. Gaskraftwerke verursachen nicht nur CO₂-Emissionen, sondern durch Lecks bei Förderung, Transport und Lagerung auch bisher unterschätzte Methanemissionen. Zusätzlich droht, dass diese Sektoren somit weiterhin Investitionen binden, die dann für die dringend notwendige Forcierung des Ausbaus erneuerbarer Energien fehlen.  Eine Einstufung als nachhaltig ist deshalb für die Zukunft ein falsches Signal. Für eine übergangsweise weitere Nutzung ist sie wiederum schlichtweg unnötig. Das Umweltbundesamt hat eine eingehende, kritische Betrachtung veröffentlicht. Darüber hinaus wird die Abhängigkeit einiger europäischer Länder und speziell Deutschlands von russischem Gas aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage verstärkt kritisiert. Im Oktober 2022 hat Österreich mit Unterstützung von Luxemburg vor dem Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Verordnung eingereicht. Von zivilgesellschaftlicher Seite hat Greenpeace für April 2023 eine eigene Klage angekündigt.
  • Da diese Sektoren aus der Taxo 4 ausgeklammert wurden, sind Verordnungen, die sich spezifisch mit Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei auseinandersetzen, zu erwarten.

Berichtspflichten im Rahmen der EU-Taxonomie

Im Rahmen der Taxonomie sind drei verschiedene Regulierungen zu Offenlegungspflichten wichtig: Die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) beziehen sich auf realwirtschaftliche Unternehmen, die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) auf den Finanzsektor.

Die NFRD wurde 2014 verabschiedete und betrifft vor allem Großunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden. Ab 2024 wird sie durch die CSRD ersetzt. Diese schreibt eine umfassendere Nachhaltigkeitsberichterstattung vor. Außerdem weitet sie die Offenlegungspflichten ab 2025 auf alle Unternehmen aus, die zwei von drei Kriterien erfüllen: über 250 Mit­arbeitende, über 40 Millionen Euro Mindestumsatz oder eine Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro (d.h. „große Unternehmen“ gemäß Richtlinie 2013/34/EU, Art. 3, Absatz 4). Ab 2026 kommen auch börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen hinzu, für diese ist allerdings ein Opt-Out bis 2028 möglich.

Für Anbieter*innen von Finanzprodukten gilt die 2019 verabschiedete SFDR. Um die SFDR-Berichtspflichten zu erfüllen, brauchen Finanzunternehmen wiederum von den Unternehmen, in die sie investieren, deren gemäß der NFRD bzw. CSRD offenzulegenden Kennzahlen zur EU-Taxonomie.

Neben den dazu verpflichteten Unternehmen können auch andere (zum Beispiel kleinere) Unternehmen die Taxonomie-Kriterien freiwillig nutzen, beispielsweise als Input für die eigene Nachhaltigkeitsstrategie, bzw. Taxonomie-Konformität freiwillig herstellen, um damit Produkte zu bewerben oder Geldgeber zu überzeugen.

Zurück zur wissenschaftsbasierten Taxonomie: das Observatory Against Greenwashing

Im Januar 2023 initiierten die im Protest aus der Plattform für nachhaltige Finanzen zurückgetretenen Organisationen (siehe oben) das Projekt für eine unabhängig wissenschaftsbasiert Taxonomie. Ihr Ziel ist es, die weitere Entwicklung der EU-Taxonomie kritisch zu begleiten. Zentral ist dabei der in Artikel 19 der Taxonomie-Verordnung festgeschriebenen Grundsatz, dass die technischen Bewertungskriterien wissenschaftsbasiert und am Vorsorgeprinzip orientiert sein müssen. An diesem Maßstab misst die Beobachtungstelle die einzelnen bereits veröffentlichten Taxonomie-Kriterien, ordnet sie nach einem dreistufigen farbcodierten Bewertungsschema als „gut“ (grün), „verbesserungsbedürftig“ (gelb) oder „inakzeptabel“ (rot) ein und macht konkrete Änderungsvorschläge. Die Ergebnisse sind auf einer eigenen Internetplattform einsehbar.

Damit wollen die beteiligten Organisationen zurück zu den Wurzeln einer wissenschaftsbasierten Taxonomie, die Unternehmen und Investor*innen einen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende, nicht durch Lobbyinteressen verzerrte Einschätzung der ökologischen Nachhaltigkeit ihres wirtschaftlichen Handelns ermöglichen.
 

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Projektförderung

Dieses Projekt wird finanziert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

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Jan Ohnesorge
Telefon: +49 228 24290-62
johnesorge[at]oroverde[dot]de

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