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Beim Austauschtreffen im Rahmen von OroVerdes Projekt „Juntos adelante – Gemeinsam stärker in die Zukunft“ trafen erstmalig junge Indigene vom Volk der Shipibo aus Peru und der Kichwa aus Sarayaku direkt vor Ort aufeinander – mit riesigem Erfolg! Mitten im Amazonaswald in Ecuador hatten die jungen Indigenen dabei Raum, Erfahrungen auszutauschen und neue Ideen zu generieren, ihren Anliegen Ausdruck zu verleihen, gemeinsam ihre Identität und ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sich zu vernetzen. Gemeinsam mit Vertreter*innen weiterer Amazonasvölker verabschiedeten sie zudem am Ende eine selbst erarbeitete Erklärung für den Schutz ihrer Territorien.

03.02.2023 | OroVerde

In Sarayaku war es gerade „Zeit der wandernden Fische“, als die jungen Besucher*innen aus Peru ankamen. Nachdem sich die jungen Indigenen aus Ecuador und Peru im Rahmen von OroVerdes Projekt „Juntos adelante“ bisher nur digital auf der Leinwand gesehen hatten, waren sie nun sehr gespannt auf das „echte“ Treffen. Für die jungen Shipibo aus Peru bedeutete das Treffen eine mehrtägige Anreise und die erste, die sie so weit weg aus ihrer Region und sogar in ein anderes Land führte. „Ich habe zunächst meine Familie etwas vermisst“, so Necy aus Peru. „Aber wir wurden wie Familienmitglieder in Sarayaku empfangen und haben dort fantastische Erfahrungen gemacht.“

Kultureller Austausch

Ein vielseitiges Programm stand auf dem Plan. Dabei waren neben verschiedenen thematischen Schwerpunkten und dem Dialog zu Herausforderungen und Lösungsansätzen der jungen Indigenen auch der kulturelle Austausch und praktische Erfahrungen wichtige Elemente. So wurden die Tage wiederholt morgens bzw. nachts um 3 Uhr mit traditioneller Wayusa upina Zeremonie gestartet. Dabei saßen alle gemeinsam ums Feuer und es wurde Tee aus Wayusa-Blättern getrunken, um wichtige Dinge zu besprechen. So z.B. im intergenerationellen Austausch mit der 79-jährigen Doña Narcisa. Mit dieser beeindruckenden Frau machten die Teilnehmenden des Weiteren eine Exkursion zu ihrer „chakra“, ihrem traditionellen Waldgarten. Dabei war eine wichtige Erkenntnis aus dem Erfahrungsaustausch, dass ein traditionell artenreicher Anbau in Mischkultur auch zur Ernährungssicherung und erhöhter Resilienz gegenüber Schädlingen und Folgen von Klimaveränderungen beiträgt. 

Von großem Interesse war auch der Austausch zu kulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschieden sowie das Thema kulturelle Identität. Ein weiteres Highlight war der künstlerische Teil am letzten Tag. Neben der Präsentation handwerklicher Produkte von Frauen standen vielfältige musikalische und tänzerische Beiträge im Mittelpunkt. Die Erwachsenen waren erstaunt, als auch verschiedenste junge Musikgruppen aus den unterschiedlichen Gemeindeteilen auf der Bühne standen: „Wir wussten gar nicht, dass es hier plötzlich so viele Musikgruppen gibt, und die jungen Leute machen das klasse!“  Zudem entstand spontan ein äußerst beeindruckender gemeinsamer Rap junger Leute von den drei indigenen Völkern Kichwa von Sarayaku, Shuar und Zápara. Dabei rappten sie in ihren jeweiligen indigenen Sprachen und zum allgemeinen Verständnis auch noch auf Spanisch, um sich gemeinsam für den Erhalt ihrer Kultur, des Waldes und der Lebensgrundlagen stark zu machen.

Gemeinsamer Kampf für Gegenwart und Zukunft

An den letzten beiden Tagen wurde das Austauschtreffen durch beeindruckende Eigeninitiative der jungen Leute aus Sarayaku noch mit dem ergänzenden Besuch von jungen Menschen weiterer indigener Völker aus dem ecuatorianischen Amazonien bereichert. So waren es am Ende über 100 Teilnehmende, die sich intensiv austauschten, von- und miteinander lernten und neue Ideen entwickelten.  Mehrfach wurde davon berichtet, dass Konzessionen für Bergbau, Erdölförderung, Infrastrukturprojekte usw. stark zugenommen haben und auch in indigenen Territorien vergeben werden, häufig ohne Einwilligung der Indigenen oder unter Korruption und Spaltung der Gemeinden, mit verheerenden Folgen für das Leben der Indigenen.

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Indigene unterstützen!

In selbstorganisierten, bunt gemischten Arbeitsgruppen beschäftigten sich die jungen Menschen mit ihnen wichtigen Themen wie Erhalt und Verteidigung der indigenen Territorien, Kultur und Identität, Bildung, interkulturelle Gesundheit, Ernährungssouveränität und Ideen für neue Visionen und Initiativen junger Indigener, und sogar mit einem solch einem sensiblen Thema wie Gender. Für viele der jungen Menschen war es eine große Erfahrung, den eigenen Anliegen Ausdruck zu verleihen, sich selbst zu organisieren und auf verschiedene Weisen einzubringen. So entwickelten sich auch viele traditionell zurückhaltende junge Frauen beeindruckend über die Tage: Während sie am ersten Tag noch still beobachteten, waren sie am Ende aktiv bei Diskussionen und selbst bei öffentlichen Präsentationen vorne mit dabei. Dazu war die vertrauensfördernde, offene und ermutigende Atmosphäre sehr hilfreich, die die Grundlage des Austauschs bildete. „Es konnte erreicht werden, dass die jungen Menschen selbst Protagonisten des Dialogs wurden und Debatten bis hin zu Schlussfolgerungen führten“, so Yaku Viteri, lokaler Koordinator vor Ort.

Die jungen Teilnehmenden erarbeiten und verabschiedeten zum Schluss zudem eine gemeinsame Erklärung, wonach sie sich in einer aktiven Rolle beim Schutz ihrer Territorien, ihrer Rechte, ihrer Kultur und ihrer Lebensgrundlagen sowie für Chancengleichheit und Frieden einsetzen und dadurch zum Aufbau einer Gesellschaft mit sozialer, wirtschaftlicher, ökologischer und politischer Gerechtigkeit beitragen wollen.

 

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Ich bin tief beeindruckt vom Engagement und der Eigeninitiative der jungen Indigenen und wie sie teilweise über sich selbst hinaus gewachsen sind. Die jungen Menschen sagen klar: wir wollen uns nicht nur beklagen, sondern beitragen und anpacken, etwas verändern! Diese jungen Indigenen sind die Gegenwart und die Zukunft im miteinander verbundenen Erhalt von Regenwald und Kultur in ihren Territorien. Beim Treffen vor Ort ist mir noch einmal mehr deutlich geworden, wie wichtig und groß der Bedarf junger Indigener an dieser Art von Austauschräumen ist. Ich bin sehr froh, dass das Projekt „Juntos adelante“ hierzu etwas beitragen kann.

 

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Annelie Fincke, Projektleiterin OroVerde

Mit neuen Ideen und Elan zurück nach Hause

Der Abschied viel allen Teilnehmenden sehr schwer. Gleichzeitig gingen die jungen Indigenen gestärkt, voller Elan, neuer Ideen und Denkanstöße sowie neuer Freundschaften und Netzwerke aus dem Treffen hervor. „Besonders hat uns inspiriert, von den Erfahrungen der ecuatorianischen Partner im Kampf um den Erhalt ihres Territoriums zu lernen und wie sich junge Indigene anderswo organisieren. Das ist bei uns noch nicht so. Auch hat uns der Wald beeindruckt, ebenso wie die kulturellen Gemeinsamkeiten sowie auch Unterschiede“, so die Shipibo. Und auch die Gastgeber selbst lernten viel dabei. So merkte ein junger Mann aus Sarayaku an: „Für mich war der Wald und das Leben hier in Sarayaku bislang einfach normaler Alltag. Durch das Treffen und den Austausch mit den jungen Indigenen aus anderen Regionen ist mir klar geworden, dass das nicht überall so ist, sondern etwas Besonderes, dass wir noch den Wald und unsere Kultur hier haben. Es ist mir nun viel bewusster, wie wichtig es ist, sich für deren Erhalt einzusetzen und ich will mich künftig dafür engagieren.“

Alle sind sich am Ende einig: „Wir bleiben weiter im Kontakt und freuen uns schon sehr auf das nächste Austauschtreffen in Peru!“

Förderer des Projekts „Juntos adelante“

Das Projekt wird mit 75 Prozent gefördert durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Für den Eigenanteil von 25 Prozent sind wir auf Spenden und Zuwendungen angewiesen.

 

 

 

Fotonachweis: matzkeFoto (Porträt), OroVerde/ A. Fincke (alle Projektbilder)