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Treffender könnte die Ortsauswahl für eine Klimakonferenz in diesem Jahr nicht sein. Das Urlaubsparadies Sharm El-Sheikh, was so viel heißt wie die Bucht des Scheichs, erfreut sich großer Beliebtheit – besonders bei Tauchfans. Doch die prächtige Artenvielfalt an Korallen- und Fischarten in der Bucht ist durch die globale Erderwärmung gefährdet. Neben den sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels steht die Küstenstadt aber auch dafür, worum es bei der Klimakonferenz gehen muss: Klimagerechtigkeit und Solidarität.

Sharm El-Sheikh liegt auf der ägyptischen Halbinsel Sinai und damit auf dem afrikanischen Kontinent. Afrika ist nur für drei Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich, spürt die Konsequenzen der anderen 97 Prozent dafür umso stärker.

Die 27. Ausgabe der Konferenz kann nur erfolgreich werden, wenn die Staaten endlich ernsthaft Emissionen senken. Das gilt besonders für Industrienationen und wird durch den aktuellen Weltklimabericht unterstrichen. „Will die internationale Gemeinschaft bis 2030 die Erderwärmung bei 1,5° Grad Celsius halten, braucht es deutlich ambitioniertere nationale Beiträge“, erklärt Martina Schaub, Vorständin OroVerde – Die Tropenwaldstiftung. Lediglich 14 Länder hätten bis September angepasste Pläne zur Emissionsreduktion vorgelegt, so Schaub.

Starkes Lieferkettengesetz ist effektiver Waldschutz

Die Staatengemeinschaft muss auch widerstandsfähiger gegenüber bereits sichtbaren Folgen des Klimawandels werden. Zum Beispiel durch effektiven Waldschutz. Bereits in Glasgow verpflichteten sich 145 Länder dazu, Waldverlust und Bodendegradierung bis 2030 zu stoppen und umzukehren. In Sharm El-Sheikh sollte es deshalb um konkrete Maßnahmen für den Erhalt und die Regeneration bestehender Wälder gehen. In der EU gab es im vergangenen Jahr erste Gesetzesentwürfe zu Waldschutz und entwaldungsfreien Lieferketten. Ein vielversprechender Schritt in die richtige Richtung, aber nicht genug. Klare Impulse der UN für striktere Regulationen unternehmerischer Tätigkeiten wären für die EU-Gesetze hilfreich. Mit Spannung darf auch der Beitrag der zehn weltweit größten Agrarunternehmen erwartet werden. Sie kündigten im Vorfeld an, einen Plan zur Verbannung der Waldabholzung aus ihren Lieferketten vorzustellen.

Ökosystembasierte Anpassungen sind wirkungsvoll gegen Extremwetter

Die Rettung unseres Planeten bedarf aber auch der Umleitung von Finanzströmen in nachhaltige Aktivitäten. In Glasgow haben die teilnehmenden Staaten vereinbart, doppelt so viele Mittel wie bisher für Klimaanpassungen zur Verfügung zu stellen. Woher die Gelder stammen, ist bereits seit 2015 durch das Pariser Klimaabkommen geregelt. Industrienationen haben als Verursacher ausreichend Gelder für Anpassungen in Entwicklungsländern aufzubringen. Eigentlich. Von angestrebt jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Klimafinanzierung kamen laut OECD im Jahr 2020 nur rund 83 Milliarden zusammen. Davon gingen lediglich 20 Prozent in Anpassungen.

Neben verlässlicher Finanzierung braucht es aber auch eine gemeinsame Linie für Klimaanpassungen, die auch den Klimaschutz fördern. Mehr Investitionen in nachhaltige Methoden, wie in ökosystembasierte Anpassungen (Ecosystem-based-Adapation, kurz EbA), wären eine zukunftsträchtige Strategie. Ökosystembasierte Anpassungen stärken gezielt natürliche Lösungen durch intakte Ökosysteme. Denn die bringen die wirkungsvollsten Mittel mit, um die Auswirkungen von Hochwassern und Extremwettern zu verringern. Gleichzeitig sind sie mindestens genauso effektiv, deutlich kostengünstiger und leichter flächendeckend zu fördern als graue Infrastruktur wie höhere Deiche. Der blinde Glaube, der technologische Fortschritt werde es schon richten, ist angesichts der wissenschaftlichen Daten unhaltbar. Das Gebot der Stunde sind folglich globale Anpassungsziele, die dafür sorgen, dass Mittel und Maßnahmen wirklich bei den betroffenen Gemeinden ankommen, überall zuverlässige Daten zur Verfügung stehen, die Zivilgesellschaft gestärkt und Ansätze wie EbA in nationale Anpassungs- und Landnutzungsstrategien aufgenommen werden.

Mehr Solidarität der Industrienationen bei klimabedingten Schäden und Verlusten

Mehr Bewusstsein für die eigene Verantwortung seitens der Industrienationen ist auch beim Ausgleich von klimabedingten Schäden und Verlusten erforderlich. Verheerende Überschwemmungen wie in Pakistan führen vor Augen, dass die ärmsten Länder allein den Ausmaßen klimabedingter Schäden nicht gewachsen sind. Die Haltung der Industrienationen als Hauptverursacher ist bisher enttäuschend. Auch die Bundesregierung verweigert in diesem Punkt bisher substanzielle Zugeständnisse.

Die internationalen Gäste der COP27 werden sich daran messen lassen müssen, inwiefern sie ihre nationalen Interessen beiseitelegen, um ihrer Verantwortung als Verursacher gerecht zu werden und den verwundbarsten Ländern bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels unter die Arme zu greifen. Dabei gilt: Es braucht höhere und weiterreichende Zusagen, die schneller umgesetzt werden müssen.

 

Der Artikel erschien am 5. November in gekürzter Form auf fr.de  und in der Print-Ausgabe der Frankfurter Rundschau.

 

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