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Mit dem ersten OroVerde-eigenen Mechanismus stellen wir von OroVerde gemeinsam mit unseren Partnern Fundacion Defensores de la Naturaleza (FDN) in einer Pilotphase degradierte Tropenwaldfläche im Nationalpark Lacandón in Guatemala wieder her.

Alle zwei Sekunden wird weltweit ein Fußballfeld tropischer Regenwald vernichtet. Der Wunsch, die rasante Zerstörung des tropischen Regenwaldes aufzuhalten und neue Bäume zu pflanzen, ist daher verständlich. In den letzten Jahren sind viele Baumpflanzinitiativen entstanden, die anbieten, entstandene Kohlenstoffemissionen durch Wiederaufforstungen zu kompensieren. Doch Bäume pflanzen ist erstens nicht die Ultimativlösung im Kampf gegen den Klimawandel und zweitens, komplizierter als gedacht. Denn der Wald ist ein komplexes Ökosystem und neu gepflanzter Wald hat nie dieselben Funktionen, wie ein altgewachsener Wald. Besser ist es daher, sich für den Erhalt des noch bestehenden tropischen Regenwaldes einzusetzen. Das beinhaltet nicht immer praktischen Aktionismus zum Bäume pflanzen, sondern ist vielmehr Aufklärungsarbeit, politische Arbeit und Antragsarbeit zur Akquise von Finanzmitteln. Es sind weniger Kosten für Material und Baumsetzlinge, sondern laufende Personalkosten, um die Kontrollpatrouillen der Parkranger*innen, die Betreuungsarbeit von Fachpersonal und Wissenschaftler*innen und Fixkosten für Büroausstattung der Naturschutzorganisationen zu bezahlen. Dazu gehören außerdem Kosten für Öffentlichkeitsarbeit, technische Ausstattung wie GPS-Geräte oder die Logistik für Praxisschulungen für die lokale Zielgruppe.

Das Recht auf eine nachhaltige wirtschaftliche Regionalentwicklung stärken

Ein wichtiger Teil unserer Arbeit an dieser Schnittstelle zwischen Naturschutz und Entwicklungszusammenarbeit ist die Unterstützung der Bevölkerung vor Ort, die im und vom Wald lebt und die ein Recht auf eine nachhaltige wirtschaftliche Regionalentwicklung hat. Deshalb ist die Pilotumsetzung des neuen Mechanismus eine gemeinsame Initiative mit dem Gemeindezusammenschluss der Dörfer im Nationalpark Sierra de Lacandón im Norden Guatemalas. Gemeinsam haben wir ein Konzept erarbeitet, wie wir weiterhin tatsächlich konkret gezielt Bäume pflanzen und gleichzeitig die wichtigen, andauernden Maßnahmen zum Erhalt des bestehenden Tropenwaldes umsetzen können. Eine bislang stolze Summe von 300.000 Euro, die dank der hohen Spendenbereitschaft unserer vielen Spender*innen zusammengekommen ist, ermöglicht es uns, die komplette Pilotphase durchzuführen und in den nächsten fünf Jahren insgesamt 60.000 Bäume zu pflanzen. Mit den Erkenntnissen aus der Pilotphase können wir zukünftig die Maßnahmen ausweiten und weitere Flächen wiederbewalden.

Pilot mit strategisch wichtigen Flächen gestartet

Für die Pilotumsetzung haben wir zwei strategisch wichtige Flächen im Nationalpark identifiziert, die durch illegale Rodungen, Waldbrände und Zersiedelung in den letzten Jahren ihren Baumbestand verloren haben, stark degradiert sind oder einen solch strukturarmen Wald hinterlassen haben, dass diese gerodeten Flächen ein offenes Tor bieten, die Flächennutzung umzuwandeln in z.B. Weidefläche für Viehhaltung oder für Maisfelder. Damit ist der Fortbestand des Waldes als solcher gefährdet.

Eine ausgewählte Fläche ist der Gemeindewald der Kooperative La Técnica Agropecuaria, die direkt an den Nationalpark Sierra de Lacandón grenzt. Dieser wurde bei dem letzten Waldbrand fast komplett vernichtet. Die Gemeindemitglieder haben hohes Interesse, diesen sekundären Naturwald wieder zu errichten und sind als Eigentümer*innen Schlüsselpersonen in der Kontrolle der Grenzen zum Schutzgebiet. Mit ihrer Erfahrung als Waldbrandbrigaden unterstützen sie nicht nur die Parkranger*innen sondern werden zusätzlich durch Baumpatenschaften bei der Vorbereitung, Pflanzung und vor allem den Pflegemaßnahmen der Bäume und Flächen tätig sein.

Neben den vielfältigen ökologischen Vorteilen wie verbesserte Wasser- und Temperaturregulierung und erhöhte Artenvielfalt wird die Gemeinde aber auch einen wirtschaftlichen Nutzen, aus der Beschäftigung, vom Tourismus und von der späteren nachhaltigen Holzernte im Gemeindewald haben. Mit der Methode der Anreicherungspflanzung werden in bestimmten festgelegten Abständen einheimische Wertholzbaumarten im Zusammenspiel mit anderen heimischen Baumarten selektiv angepflanzt und die Waldstruktur damit bereichert. Diese kommerziellen Hölzer sichern den Schutz und die Pflege der Waldfläche auf lange Sicht, geben dem Gemeindewald einen greifbaren, wirtschaftlichen Wert und gewährleisten so ein nachhaltiges und dauerhaftes Bestehen des natürlichen Waldes.

Lücken im Kronendach sukzessiv schließen

Die zweite Fläche befindet sich in der Kernzone des Nationalparks. Dort ist das Kronendach des tropischen Regenwaldes von offenen, verbuschten Lücken zerstückelt, die entstehen, wenn die Urwaldriesen fehlen und die Baumarten sich nicht mehr selbst verjüngen können. Diese sogenannten Waldweideflächen sind Offenlandschaften und das Gras wuchert dort bereits mannshoch. Die Methode zum Waldwiederaufbau, die wir hier anwenden, hat im Deutschen den schönen Namen Trupppflanzung. 

Ein Trupp ist eine Baumgruppe, der wie ein kleiner Flicken auf die offenen Löcher im Wald gepflanzt wird. Gepflanzt werden dabei nur Arten die am jeweiligen Ort natürlich vorkommen. So können sie sich durch natürliche Sukzession ausbreiten und die Baumlücken nach und nach natürlich schließen.

Die kommunale Baumschule in der Gemeinde, die von einer Jugendgruppe geführt wird, hat bereits 38.000 Setzlinge einheimischer Baumarten herangezogen. Die Samen dafür werden frei im Naturwald gesammelt und sind damit die Baumzöglinge der Flächen, wo sie später wachsen werden. Diese Samen haben in der Baumschule die optimalen Bedingungen um auszukeimen und werden so gefördert, dass sie später als angepasste Setzlinge im Naturwald zu starken Bäumen heranwachsen können. Mit der Jugendgruppe und Gemeindevertreter*innen hat unser Partner in Guatemala, die Defensores de la Naturaleza, letzte Woche jeweils ein Kooperationsabkommen unterzeichnet, um die bevorstehenden Aktivitäten zu vereinbaren und die nächsten Schritte zu planen. 
 

Fotohinweis: FDN - Draney Aldana (Regenwald Luftaufnahme, Jugendgruppe), Katrin Toepfer (Grafik).