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Nach langer Dienstreisepause wegen der Pandemie reisten wir im Februar nach Guatemala in das WaldGewinn-Projekt. Schwerpunkt der Reise war die Einbindung des Privatsektors in Waldwiederaufbau. Dabei geht es darum, wie guatemaltekische Unternehmen und private Investoren den Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft mitgestalten können, beispielsweise durch Spenden oder Investitionen in klimafreundliche Wertschöpfungsketten. Das Ziel ist es, in Guatemala einen langfristigen Finanzierungsmechanismus über eine online Unternehmensplattform zu etablieren, um Finanzmittel zu Kleinbauern und Waldaufbau zu kanalisieren. Dazu werden auch Erfahrungen und Ideen von der Transformation deutscher Unternehmen genutzt.

 

Angefangen hat das Projekt vor sechs Jahren mit einem Fokus auf den Aufbau von Wertschöpfungsketten wie Kakao, Honig und Mayanuss. Als ersten Schritt konzentrierten sich die Projektmaßnahmen darauf, geeignete Produkte mit Marktpotenzial zu identifizieren und deren Anbau in biodiversen Agroforstsystemen zu fördern. Weiterverarbeitungsanlagen in den Gemeinden haben einen wichtigen Schritt in der Wertschöpfungskette optimiert, sodass die Kleinbauern nicht mehr die unverarbeiteten Produkte zu geringen Preisen verkaufen müssen. Die Organisation der Kleinbauern in Produzentenvereinigungen ermöglicht eine gemeinsame Strategie zum Wissensaustausch und zur Vermarktung der Produkte. Der naturverträgliche Anbau trägt nicht nur zur Verbesserung des Einkommens, sondern in den Pufferzonen der Schutzgebiete auch zur Stabilisierung der Ökosysteme bei, von denen im Rahmen des Projekts etwa 180.000 Hektar Regenwald geschützt werden.

Finanzbedarf für Biodiverstität und Waldschutz

Beim Projektbesuch ging es nun um die Akquise von zusätzlichen privaten Finanzmitteln für drei Waldgebiete in Guatemala. Finanziert wird das Projekt für eine Laufzeit von insgesamt acht Jahren durch die Internationale Klimainitiative auf der Basis einer Entscheidung des deutschen Bundestags. Es wird jedoch zunehmend anerkannt, dass begrenzte Projektlaufzeiten und die Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln nicht ausreichen, um den Verlust der biologischen Vielfalt langfristig aufzuhalten. Ein kürzlich vom Paulson Institute veröffentlichter Bericht zeigt, dass die Finanzierungslücke für die biologische Vielfalt in den nächsten zehn Jahren 700 Milliarden Dollar pro Jahr beträgt. Erschwerend kommt hinzu, dass Regierungen jährlich etwa 500 Milliarden Dollar für Wirtschaftsförderung ausgeben, die potenziell schädlich für die biologische Vielfalt ist - fünf- bis sechsmal mehr als die derzeitigen Ausgaben für den Schutz der biologischen Vielfalt. Eine Reihe schädlicher wirtschaftlicher Anreize führt dazu, dass die Umwelt mehr Schaden nimmt als die Erhaltung, Wiederherstellung und nachhaltige Nutzung der Natur. Hervorzuheben ist, dass der Bericht die Finanzierung von Projekten vorschlägt, die zur Erhaltung, Wiederherstellung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen beitragen – und genau das ist das Konzept des WaldGewinn-Projekts. Nachhaltige ökologische Landwirtschafts- und Produktionsmethoden verringern langfristig die Entwaldung und Waldschädigung und tragen zum Erhalt von wichtigen Lebensräumen für die lokale Artenvielfalt bei. Dies ist auch im Sinne der Privatwirtschaft – nicht nur steigt das Unternehmensbewusstsein und die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten; die rechnerische Lücke, die in Zukunft durch rücklaufende Ökosystemdienstleistungen entsteht, ist für die Unternehmen ein echtes finanzielles Risiko. Durch Partnerschaften mit dem Privatsektor sind bereits in den ersten Projektjahren Geschäftsmodelle entstanden, die zu einer erfolgreichen Vermarktung der Waldprodukte aus Honig, Kakao und Mayanuss geführt haben. 

Auch ein neuer Bericht der Weltbankgruppe mit dem Titel Mobilizing Private Finance for Nature von 2020 befasst sich mit dem aktuellen Stand der privaten Finanzierung von Biodiversität und Ökosystemleistungen. Der Bericht stellt fünf Ideen für Maßnahmen vor, die ergriffen werden können, um die Risiken und Chancen der biologischen Vielfalt besser in die Entscheidungen des Privatsektors zu integrieren. Diese reichen von einer ökologischen Steuerreform und einer besseren Datenerfassung bis hin zu einer breiten Unterstützung der kürzlich angekündigten Initiative „Task Force on Nature-related Financial Disclosures“ (TNFD). Letzteres soll Finanzinstituten helfen, sich besser mit dem Thema zu befassen.
 

Aktivitäten im Rahmen des Projekts

Um Ideen zu entwickeln, wie ohne abschreckende administrative Hürden und langfristig funktionierend der Privatsektors in Guatemala besser in den Waldaufbau eingebunden werden kann, fand während des Projektbesuchs ein erster Austauschworkshop in Guatemala-Stadt statt. Dabei wurde das Konzept für eine Online-Plattform entwickelt, auf der sich Finanzprodukte wie Aufforstungen, Investments in Kakao oder Kapazitätenaufbau für Wiederaufbau und Investoren nach ihren Interessen „matchen“ können und so Investitionen von privatwirtschaftlicher Seite in den Waldwiederaufbau generieren. Das Ziel ist es, in Guatemala einen langfristigen Finanzierungsmechanismus zu etablieren, der den Kleinbauern sowie Unternehmen eine finanzielle Sicherheit gibt und einen positiven Impact auf die Natur hat.
 
Im WaldGewinn Projekt wird parallel eine Kommunikationsstrategie entwickelt, die sich mit Videos und social media Beiträgen direkt an die Zielgruppe der Unternehmer wendet. Für die guatemaltekischen Projektpartner ist strategische Kommunikation ein neuer Bereich. Wenn erst einmal die Finanzprodukte entwickelt sind, können diese dann beworben werden – mit fundierten Informationen, die passgenau auf die Unternehmen zugeschnitten sind. Erste Erfolge können bereits verbucht werden: Ein Vertragsabschluss mit einer renommierten, guatemaltekischen Baumarktkette wurde gerade unterzeichnet. Darin verpflichtet sich das Unternehmen, für 10 Jahre Waldaufbaumaßnahmen in Guatemala finanziell zu unterstützen. Gespräche mit weiteren Unternehmen laufen und so werden Schritt für Schritt private Gelder in den Waldaufbau kanalisiert. 
 

Politische Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Wirtschaft

Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Politik soll mit dem Projekt und mithilfe geeigneter Kommunikationsstrategien und Advocacy-Arbeit erreicht werden: Um den Weg für Investitionen und Strategien zum Waldwiederaufbau zu ebnen und ein Umdenken zu fördern, sind politische Rahmenbedingungen ein wichtiger Hebel. Um politische Programme in Guatemala zu identifizieren, in die Waldwiederaufbau wirksam integriert werden kann, fand unter anderem ein Austausch mit dem Vizeagrarminister von Guatemala, Elmer Oliva Pacheco, in der Region Petén statt.

„Diese Gespräche sind eine wichtige politische Mitgestaltungsmöglichkeit, um die Rahmenbedingungen für Waldwiederaufbau zu vereinfachen und damit neue Finanzierungsquellen für den Biodiversitäts- und Klimaschutz zu erschließen.“ berichtet uns Anique Hillbrand Projekt-Koordinatorin des WaldGewinn Projekts.

Fotonachweis: ©OroVerde/A. Hillbrand. Erstes Brainstorming mit zwei Mitarbeiterinnen von OroVerde (rechts) und einem Team der Partner-Organisation Heifer.

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