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Wie schreitet die Entwaldung weltweit voran? Die neuen Zahlen von Global Forest Watch geben Auskunft – und kaum Anlass zur Beruhigung. Was jetzt passieren muss.

22. April 2024

Sie sind Lebensraum für unzählige Arten von Pflanzen und Tieren. Sie sind Lebensgrundlage für 1,6 Milliarden Menschen. Und sie sind die Klimaretter schlechthin: Tropenwälder, insbesondere die Regenwälder weltweit, sind essenziell für die Kohlenstoffspeicherung. Und sie regulieren regionale und globale Wasserkreisläufe.

Doch über 96 Prozent der weltweiten Entwaldung geschieht genau hier. In erster Linie führt nach wie vor insbesondere die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen dazu, dass wir immer noch jedes Jahr Millionen Hektar Wald, und damit Arten, Lebensraum, und Stabilität verlieren.

Verheerende Zerstörung

Global Forest Watch (GFW) stellt in Zusammenarbeit mit dem World Resources Institute jährlich einen Bericht zusammen, den Forest Pulse. Der „Wald-Pulsschlag“ zeigt, wo auf der Welt Waldverluste aufgetreten sind und ob eine Verbesserung oder Verschlechterung gegenüber den Vorjahren stattgefunden hat. Ein Gesundheitsbericht unserer Wälder also, und damit auch unseres Planeten.

Alarmierend hat die Analyse gezeigt: Auch 2023 haben wir 3,7 Millionen Hektar wertvollen tropischen Primärwald verloren, nahezu 10 Fußballfelder pro Minute. Die Verlustrate ist somit fast identisch mit der von 2019 und 2021. Dabei wurden 2,4 Gigatonnen CO2 freigesetzt, was nahezu der Hälfte der jährlichen Emissionen aus fossilen Brennstoffen der USA entspricht – verheerend feuern wir alle also die Klimakrise auch durch die Zerstörung der Wälder an.

Gemischte Nachrichten aus Brasilien

Nach wie vor ist Brasilien mit 1.140.000 Hektar Spitzenreiter des Rankings der Länder mit dem größten Waldflächenverlust. Doch in dieser Platzierung ist eine kleine gute Nachricht versteckt: Das Land, das am 1. Januar 2023 einen radikalen Regierungswechsel erlebt hat, verzeichnete im vergangenen Jahr 36 Prozent weniger Verlust von Primärwäldern als in 2022. Insbesondere im Amazonas, wo der Rückgang 39 Prozent beträgt. Dort haben die von Präsident Lula ergriffenen Maßnahmen wie die Anerkennung neuer indigener Gebiete und die Stärkung der Strafverfolgungsbehörde IBAMA zu ersten sichtbaren Erfolgen geführt.

Doch nicht in allen Lebensräumen Brasiliens gibt es eine Verbesserung. In der Feuchtsavanne Cerrado und im größte Binnenland-Feuchtgebiet der Welt, dem Pantanal, nimmt der Vegetationsverlust weiterhin zu. Der Pantanal leidet vor allem unter der sich zuspitzenden Klimakrise und kämpft neben Trockenheit mit zerstörerischen Feuern. Im Cerrado ist der Hauptgrund für den Anstieg die Ausweitung von gigantischen Sojamonokulturen und der dazugehörigen Infrastruktur. Je mehr die Zerstörung im Amazonas abnimmt, desto mehr nimmt sie hier zu.

Das zeigt umso deutlicher, wie dringend nötig eine Ausweitung der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte ist. Denn diese greift bislang nicht für Savannen oder Feuchtgebiete. Dort ist die Baumdichte zwar niedriger, die Artenvielfalt aber gleichermaßen wertvoll – und bedroht. Die Verordnung sieht vor, dass im Juni 2024 überprüft werden muss, inwiefern diese Ausweitung stattfinden soll. Der „Wald-Pulsschlag“ zeigt die Dringlichkeit erneut klar. Auch eine Koalition aus indigenen Völkern und traditionellen Gemeinschaften plädierte im März dafür bei der EU

Eine Welt, ein Problem

Nach Brasilien verzeichneten 2023 die Demokratischen Republik Kongo (530.000 Hektar), Bolivien (490.000 Hektar), Indonesien (290.000 Hektar) und Peru (150.000 ha) die größten Waldverluste.

Bolivien sticht dabei heraus. Dort hat der Waldverlust um 27 Prozent zugenommen. Insbesondere aufgrund von Waldbränden, die zur Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen absichtlich gelegt wurden. Extrem trockenes und heißes Wetter fachten die Brände weiter an, eine Folge der Klimakrise und des besonders intensiven El Niño Phänomens in 2023. Auch die gezielte Umwandlung von Wald zu Sojaflächen hat dazu geführt, dass das Land nahezu eine Million Hektar wertvolle Ökosysteme verloren hat. Vorangetrieben wird diese katastrophale Tendenz durch die bolivianische Regierung, die Soja- und Rindexporte mit finanziellen Anreizen ankurbeln will.

Eine positive Nachricht kommt hingegen aus Kolumbien, wo der Waldverlust in 2023 gegenüber dem Vorjahr nahezu halbiert worden ist. Wie in Brasilien hat dort ein Regierungswechsel 2022 mit Präsident Urrego dazu geführt, dass Wälder strenger geschützt und von traditionellen Gemeinschaften nachhaltig genutzt werden.

Was muss passieren?

In Brasilien streiken Mitarbeitende der Strafverfolgungsbehörde IBAMA seit Monaten, weil sie sich überlastet und unterbezahlt fühlen. Inwiefern sich die Entwaldung durch ihre Abwesenheit wieder in Gang gesetzt hat, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt kaum sagen. In Bolivien fördert die Regierung die Ausweitung weiterer Rinderweiden, Soja- und nun auch Ölpalmenflächen. Das könnte die Situation in Zukunft weiter verschlimmern. Der Export zielt zudem eher auf die Nachbarländer und China ab, so dass eine Regulierung wie die EU-Verordnung wenig Verbesserung verspricht.

Der „Wald-Pulsschlag“ zeigt erneut, wie sehr politische Bedingungen und landwirtschaftliche Nutzung Einfluss auf den Schutz bedrohter Ökosysteme nehmen. Wo heute Lula oder Urrego regieren, könnte bald wieder eine neue Regierung viele Bemühungen rückgängig machen.

Er zeigt auch, wie wichtig Dialoge mit Produktions-, aber auch mit anderen Konsumentenländern sind. Nur gemeinsam können wir die Regulierungen gegen die fortschreitende Entwaldung vorantreiben.

Die EU ist mit der Entwaldungsverordnung vorangegangen. Andere große Konsumentenländer ziehen nach. Die USA und Großbritannien planen beispielsweise ebenfalls Gesetze, um Entwaldung aus Lieferketten zu verbannen. Es ist höchste Zeit. 2021 haben Staats- und Regierungschefs aus 145 Ländern bei der Weltklimakonferenz in Glasgow versprochen, die globale Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Noch sind wir weit davon entfernt. Die Zeit zu Handeln ist jetzt.

Ihr Pressekontakt

Christian Neeb
Presse + Öffentlichkeitsarbeit
0228-24 290 49
cneeb[at]oroverde[dot]de

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Fotonachweis: OroVerde - I. Naendrup (Hero-Bild), OroVerde - E. Mannigel (Bilder Abholzung)
Grafiken: Golbal Forest Watsch/ World Resources Institut (Alle Grafiken)