Lieferkettengesetz: Kritik, pro und kontra, aktueller Stand, Definition und Zusammenfassung ©Shutterstock/DigitalPen

Was ist das Lieferkettengesetz?

Der aktuelle Stand der verschiedenen Gesetzesinitiativen

Eines vorab: Das eine Lieferkettengesetz gibt es nicht. Derzeit werden in der EU und in Deutschland mehrere Gesetze diskutiert bzw. zum Teil schon umgesetzt. Drei davon sind das deutsche Lieferkettengesetz, das europäische Lieferkettengesetz und das europäische Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten.

Wenn wir über Lieferkettengesetze reden, müssen wir zuerst klären, was wir unter einer Lieferkette verstehen. Eine Lieferkette, oder auch Wertschöpfungskette, bezeichnet den Prozess von der Gewinnung eines Rohstoffes bis hin zum finalen Produkt – fertig für unseren Konsum. Einige Lieferketten beginnen in den Tropen und enden in deutschen Supermärkten und letztendlich bei uns. So spielen Lieferkettengesetze eine wichtige Rolle beim Schutz der Tropenwälder.

Was ist ein Lieferkettengesetz?

Ein Lieferkettengesetz schafft einen rechtlichen Rahmen dafür, dass Produkte möglichst frei von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden hergestellt werden.

Warum ein Lieferkettengesetz?

Schon bei einer einfachen Lieferkette, welche die Weiterverarbeitung von genau einem Rohstoff umfasst (zum Beispiel Kaffee), ist es in der globalisierten Wirtschaft für die Endkund*innen oft nicht möglich zu erfahren, wer den Kaffee unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen angebaut hat. Wurden z.B. Kinder als Arbeitskräfte eingesetzt? War die Bezahlung fair oder fiel sie zu niedrig aus, um den Arbeitskräften und deren Familien ein Einkommen zu ermöglichen? Oft ist die Produktion bzw. die Gewinnung der Rohstoffe auch mit Risiken für die Umwelt verbunden. Wurde z.B. Wald gerodet, um Platz für den Anbau zu schaffen? Oder wurden Mensch und Umwelt giftigen Pestiziden ausgesetzt? 

Immer mehr Menschen ist es aber wichtig, ihren Konsum so zu gestalten, dass er im Einklang mit Umweltschutz und sozialen Auswirkungen steht. Bio und regional etwa ist die Devise bei Lebensmitteln. Bei Konsumgütern orientieren sich viele Menschen zudem an Siegeln, um möglichst gute Kaufentscheidungen zu treffen. Doch die Fragen, mit denen man sich als kritische Konsument*innen befassen muss, sind häufig sehr komplex und erfordern viel Zeit zur Auseinandersetzung. Zudem ist nur ein Bruchteil der Angebote im Supermarkt fair und bio. Das bedeutet im Umkehrschluss: Die anderen Produkte sind unfair und alles andere als ökologisch. Denn es gibt oftmals keine Regelung dafür, unter welchen Bedingungen ein Produkt hergestellt werden sollte und welche Produkte in Deutschland und Europa verkauft werden dürfen. Die Politik muss diese Verantwortungslücke schließen, die Konsument*innen entlasten und auch die Unternehmen ins Boot holen. Diese sind als ein Teil des Problems nämlich auch Teil der Lösung.

Warum mehrere Lieferkettengesetze?

In unterschiedlichen Gesetzgebungsprozessen werden solche Rahmen zurzeit verhandelt. Diese können regional ausgerichtet sein (für etwa Deutschland gelten oder die EU). Aber sie können auch auf bestimmte Erzeugnisse ausgelegt sein, wie zum Beispiel bei Produkten, die mit Entwaldung in Verbindung stehen. Da es oft um juristische Feinheiten im Spannungsfeld mit Wirtschaftsinteressen geht, sind verschieden Initiativen nötig. Diese führen zwar oft zu Verwirrung, in ihrer Gesamtheit aber zu mehr Schutz von Mensch und Umwelt.
Diese „Lieferkettengesetze“ entstehen in Deutschland, Europa und weltweit. Aber auch Regulierungen der Finanz- und Versicherungsbranche sollen sich positiv auf die Entwicklung der Klima- und Biodiversitätskrise und den Schutz der Menschenrechte auswirken. So soll die so genannte EU-Taxonomie definieren, was unter nachhaltigem Wirtschaften zu verstehen ist.

Überblick über drei Lieferkettengesetze in der EU und in Deutschland

Falls Sie wie wir vor lauter Lieferketten die Gesetze nicht mehr sehen, möchten wir im Folgenden einen Überblick über das deutsche Lieferkettengesetz, das europäische Lieferkettengesetz und über das europäische Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten geben.

Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten Europa

Nach jahrelanger Arbeit von Politiker*innen, politischen Gruppen, und nicht zuletzt durch eine der erfolgreichsten europaweiten Petitionen, die es je gab, wurde im November 2021 von der EU-Kommission ein Gesetzesentwurf zu entwaldungsfreien Lieferketten vorgelegt. 
Am 5. Dezember 2022 einigten sich EU-Kommission, Minister*innenrat und das europäische Parlament auf einen finalen Gesetzesentwurf; das Ende eines langen Prozesses. Nun müssen Anfang 2023 sowohl der Rat als auch das Parlament offiziell über den gefundenen Kompromiss abstimmen, bevor das Gesetz dann voraussichtlich noch 2023 in Kraft treten kann. Bereits nach einem Jahr soll eine Revision über wichtige Punkte stattfinden. Eine große Chance, um ein wichtiges neues Gesetz noch besser zu machen.

Warum ist das Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten gut für den Tropenwald?

  • Wie der Name bereits andeutet: Der Gesetzesentwurf ist der einzige, der ganz gezielt Entwaldung in Lieferketten adressiert. Der Schutz von als Wälder definierten Gebieten wäre also so stark wie in keinem anderen Gesetz. Aber auch hier gibt es leider Lücken. Savannen und Feuchtgebiete gelten nicht als Wald, weshalb unter anderem der Cerrado in Brasilien – der für den Anbau von Soja immer weiter gerodet wird – nicht mit inbegriffen wäre. Auch sollen bestimmte Rohstoffe, die aber in Verbindung mit Entwaldung stehen, ausgenommen werden. So etwa Mais. 
Was Sie jetzt tun können?
  • Unterstützen Sie OroVerde und ein weites Netz aus europäischen Nicht-Regierungs-Organisationen dabei, für ein starkes Gesetz zu mobilisieren. Teilen Sie Beiträge auf den sozialen Medien, die auf die Lückenhaftigkeit des Gesetzes hinweisen. Bereits nach einem Jahr nach Inkrafttreten ist eine Revision des Gesetzes vorgesehen. Bleiben Sie mit uns dran, wenn es soweit ist: Gemeinsam können wir es schaffen, das Gesetz nachzuschärfen.

Lieferkettengesetz Deutschland

In Deutschland wurde nach langem Ringen und unter großem Engagement eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses 2021 das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, besser bekannt als “das Lieferkettengesetz“, verabschiedet. Es ist das erste Gesetz in Deutschland, dass die unternehmerische Sorgfaltspflicht als solche benennt. Das Gesetz wird als wichtiger Schritt zu mehr Unternehmensverantwortung gewertet. Besonders die Zivilgesellschaft macht aber auf große Lücken aufmerksam. So greift das Gesetz etwa erst ab einer bestimmten Unternehmensgröße, umfasst keine zivilrechtliche Haftung und besonders der Umweltschutz kommt zu kurz.

Warum ist das deutsche Lieferkettengesetz gut für den Tropenwald?

  • Das Gesetz markiert einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu Unternehmensverantwortung, auch in Bezug auf die Umwelt. ABER: Im Gesetz werden keine umweltbezogenen Sorgfaltspflichten benannt. Das Wort Entwaldung sucht man vergebens. Auch finden weder Biodiversitätsverlust noch Klima als Themen Einzug in das neue Gesetz. Fazit: Für umfassenden Natur- und damit auch Regenwaldschutz müsste das Gesetz nachgebessert werden.
Was können Sie tun?
  • Sie möchten, dass das Deutsche Lieferkettengesetz stärker wird? Prima, wir auch! Recherchieren Sie Ihre*n Abgeordnete*n im Bundestag und schreiben Sie eine E-Mail. Setzen Sie sich auch für ein Europäische Gesetz ein (siehe unten). Hier sind die Würfel noch nicht gefallen und jede Stimme zählt. Einen Textvorschlag für die E-Mail oder einen Brief finden Sie auf unserer Kampagnen-Seite.

Lieferkettengesetz Europa

Schon während des Prozesses um das deutsche Lieferkettengesetz sprachen sich viele Unternehmen für eine europäische Lösung aus. Ihr Argument: In einer globalisierten Wirtschaft verzerrt ein nationales Lieferkettengesetz nur den Wettbewerb. Auch OroVerde würde ein europäisches Lieferkettengesetz begrüßen. Schließlich würden sich direkt 27 Länder zu mehr Unternehmensverantwortung bekennen. Gleichzeitig wäre das Argument der Wettbewerbsverzerrung im EU-Binnenmarkt entkräftet. Am 23.02.2022 hat die Kommission – nach mehrfachem Verschieben – endlich einen Entwurf veröffentlicht. Der Minister*innenrat legte seine Position am 01.12.2022 vor. Für das kommende Jahr wird also nur noch die Position des Parlaments erwartet, bevor es in die finalen Verhandlungen gehen kann.

Warum ist das europäische Gesetz gut für den Tropenwald?

  • Im Gegesatz zum deutschen Lieferkettengesetz enthält der Entwurf zum europäischen Gesetz auch umweltbezogene Pflichten. Hier öffnet sich Handlungsspielraum für den Waldschutz. 
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  • Wenn jeder im Alltag etwas mehr auf umweltbewussten Einkauf achtet, dann ist das ebenfalls ein wichtiger Schritt mit Signalwirkung. Hinweise, was Sie jeden Tag tun können, um Regenwald zu schützen, finden Sie in den Verbrauchertipps von OroVerde.
  • Sie sind bereits sehr aktiv, achten auf Ihren Konsum und fragen sich, was noch helfen kann? Unterstützen Sie z.B. Regenwaldschutzprojekte direkt vor Ort - mit einer Spende oder einem Geschenk für Familie und Freunde!
  • Der Schutz des Regenwaldes ist auch für unsere Gesundheit äußerst wichtig! Wie Biodiversität das Pandemierisiko senken kann, erfahren Sie in unserem aktuellen Faktenpapier "Biodiversität und Pandemie".