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Werden bald alle Tropenwälder verloren sein? Was macht uns noch Hoffnung?

Die Hiobsbotschaften zu Wäldern, Tropenwäldern und speziell zu den tropischen Regenwäldern haben sich im letzten Jahr gehäuft. So haben wir 2020 12,2 Millionen Hektar Tropenwaldfläche verloren, davon waren 4,2 Millionen Hektar immerfeuchter tropischer Primärwald. Es wird geschätzt, dass ca. 1/3 der globalen Regenwälder verschwunden sind. Doch die Weltgemeinschaft wird sich immer mehr bewusst, wie sehr sie von den Wäldern abhängig ist, vor allem bei der Bekämpfung der beiden großen globalen Krisen Klimawandel und Biodiversitätsverlust. Politik, Wirtschaft und weltweite Institutionen wachen langsam auf und erkennen die Dringlichkeit für den Tropenwaldschutz. Hoffentlich nicht zu spät!

Erschreckende Erkenntnisse

Brände und andere klimabedingte Einflüsse spielen weiterhin eine große Rolle beim Waldverlust, sowohl in den Tropen als auch in anderen Gebieten. Die EU ist laut einer Studie aus dem Jahr 2020 für 16 Prozent der globalen Tropenwaldabholzung und Naturzerstörung verantwortlich. Innerhalb Europas ist Deutschland Spitzenreiter beim Import von Entwaldung.
In Primär- als auch in Sekundärwäldern in Südostasien und in Lateinamerika ist wie in den vergangenen Jahren die Abholzung für den Rohstoffbedarf die Hauptursache für schwindende Tropenwälder. Im tropischen Afrika ist vor allem die Umstellung der Landwirtschaft für den Verlust von Waldfläche verantwortlich. 
Der östliche Teil der Amazonas-Region gibt vor allem in der Trockenzeit mehr Kohlendioxid ab, als er bindet. Bei den Gründen für diese Entwicklung sind sich die Expert*innen einig: Die fortschreitende Abholzung und Brandrodung sowie die Klimakrise sind hierfür besonders verantwortlich. 
Neue Forschungen haben zudem gezeigt, dass auch kleinere Einschnitte in den Regenwald tiefgreifende negative Effekte haben. So hat das Roden für Minen, Tropenholz oder landwirtschaftliche Nutzflächen weit über die tatsächlich abgeholzte Fläche hinaus verheerende Auswirkungen. An den auch durch kleinste Eingriffe entstehenden Randbereichen von tropischen Wäldern werden eine große Menge Kohlenstoff freigesetzt. Die Zerschneidung in immer kleinere und weiter voneinander entfernte Tropenwaldparzellen durch Straßen, Äcker oder andere Nutzflächen, wirkt sich auch auf die Biodiversität aus: besonders Arten, die auf große zusammenhängende Waldgebiete angewiesen sind, kämpfen ums Überleben.    
Al diese Studien und Zahlen zeigen, wie wichtig der Regenwald als Kohlenstoff-Speicher für das Weltklima ist, und wie die steigenden Temperaturen schon jetzt den Regenwäldern zusetzen, sie bedrohenden und so weiteres CO₂ freigesetzt wird. So verstärkt der Tropenwaldverlust die Klimakrise und umgekehrt.

 

Doch es besteht noch Hoffnung

Neue Messungen haben gezeigt, dass die Regenwälder in den Höhenlagen Afrikas mehr Kohlenstoff speichern als zuvor vermutet. Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Speicherfähigkeit in der kälteren und dünneren Höhenluft wesentlich geringer sei als im Flachland. Forschende haben nun nachgemessen und die Bergregenwälder in Zentralafrika sind bessere Speicher als gedacht! Sie können sogar locker mit den Tieflandregenwäldern mithalten. Die Kohlenstoff-Speicherkapazität dieser afrikanischen Tropenwälder ist dabei um 2/3 höher als es der Weltklimarat IPCC bisher für diese Wälder veranschlagt hatte. Umso wichtiger wird natürlich ihr Schutz!
Aber auch hier geht es voran. Erst letzte Woche haben sich 10 Anrainerstaaten darauf verständigt, eine Regenwaldfläche von der 3-fachen Größe Deutschlands im Kongobecken zu schützen. Neben diesen regionalen Initiativen startete im Mai 2021 der Legacy Landscapes Fund, ein Finanzierungsinstrument, das bis 2030 mindestens die 30 weltweit wichtigsten Biodiversitäts-Hotspot schützen möchte.
Vor allem in Regionen, wie den karibischen Inseln, wo schon länger klar ist, dass die Auswirkungen des Klimawandels existenzbedrohend sein werden, wächst die Bereitschaft etwas zu tun. Neben dem klassischen Waldwiederaufbau ist die Schaffung von nachhaltigen Wertschöpfungsketten für die lokale Bevölkerung wichtiger Baustein im Kampf gegen Entwaldung und die Folgen der Klimakrise. Beispielsweise gelten Mangrovenwälder als natürlicher Schutzwall gegen Überschwemmungen und Springfluten und sind zudem wichtige Kinderstuben für Fische und Garnelen. Diese sind in Küstengemeinden oft die wichtigste Proteinquelle und können bei nachhaltiger Nutzung die Lebensgrundlage der Bevölkerung sichern. 

Verantwortung übernehmen – weltweit!

Deutschland und die EU sind sich mittlerweile ihrer Verantwortung bewusst. Und auch wenn das deutsche Lieferkettengesetz noch starke Umweltschutzvorgaben vermissen lässt, bietet die Vorlage für ein europäisches Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten Raum für Hoffnung. Unter dem Namen „EU-Rechtsrahmen zur Eindämmung und Umkehrung der von der EU verursachten weltweiten Entwaldung“ wird dies in den nächsten Monaten in der EU beratschlagt. Martina Schaub, Vorständin bei OroVerde erläutert hierzu:

Wir werden weiter alles dafür tun, dass es ein strenges Gesetz wird, um Produkte, die mit Entwaldung, Waldrodungen, Naturzerstörung und Verletzungen von Menschenrechten in Verbindung gebracht werden, vom europäischen Markt fernzuhalten.

Auf internationaler Ebene haben dieses Jahr zum ersten Mal der Weltklimarat IPCC und der Weltbiodiversitätsrat IPBES ein gemeinsames Papier veröffentlicht. Auch auf dieser Bühne sind die Verzahnungen von Biodiversitätsverlust und Klimawandel erkannt. Auch hier spielt der Regenwaldschutz eine zentrale Rolle: Die Erderwärmung schadet dem Regenwald und der Regenwald spielt als potenzielle C02-Senke eine wichtige Rolle, um die Klimaerwärmung auszubremsen.
Brände, Taifune, Überschwemmungen und Hitzewellen haben im letzten Jahr in den meisten G7 und G20 Ländern dafür gesorgt, dass die Dringlichkeit nicht weiter aufgeschoben werden darf. Auch der Bundestagswahlkampf zeigt: Klima- und Biodiversitätsschutz sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Mit den weltweiten Erkenntnissen, dass wir auf Dienstleistungen dieser Ökosysteme angewiesen sind und der Schutz der Tropenwälder wirtschaftlich, politisch und gesellschaftliche notwendig ist, besteht noch Hoffnung, dass wir auch in 100 Jahren noch den Tag der Tropenwälder feiern können.