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Eine neue internationale Studie belegt: 2.000.000 Tonnen des aus Brasilien in die EU jährlich importierten Sojas wurde auf illegal abgeholzten Flächen angebaut. Davon gelangt auch ein Teil nach Deutschland und über den Umweg als Futtermittel auch auf unsere Teller.

Es war kein Geheimnis, dass der Sojaanbau und die Rinderzucht die wichtigsten Ursachen für die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes sind. Durch die großflächigen Waldbrände der letzten Jahre und die Politik der Regierung Bolsonaro verstärkte sich das Problem und wurde für alle noch sichtbarer. Jetzt hat eine internationale Studie erstmals die Verbindung von illegaler Abholzung und Soja-Exporten nach Europa hergestellt. Darin wird belegt, dass etwa 20 % der Sojaexporte nach Europa und mindestens 17 % der Rindfleischexporte aus den Vegetationszonen Amazonas und Cerrado, eine artenreiche tropische Savanne im Nordosten Brasiliens, von potentiell illegal gerodeten Flächen stammen. Die Studie wurde von Wissenschaftlern aus Brasilien, Schweden, Deutschland und den USA durchgeführt und erschien am 17. Juli 2020.

Wo finden die Rodungen statt und wer ist verantwortlich?

Die Vegetationszonen Cerrado und Amazonas weisen die höchsten Entwaldungsraten Brasiliens auf und sind somit im Fokus der Studie. Eine wichtige Erkenntnis ist dabei, dass nur ein sehr geringer Teil der Landbesitzer in den Gebieten für die illegale Abholzung verantwortlich sind. 2 % von ihnen sind verantwortlich für 62 % der potentiell illegalen Abholzung, weshalb die Autor*innen von den „faulen Äpfeln der brasilianischen Agrarwirtschaft“ sprechen. Dies wird auch von Zahlen von Trase  (www.trase.earth) belegt. Laut diesen sind nur 400 Farmen für 80 % der illegalen Entwaldung im Bundesstaat Mato Grosso verantwortlich, von denen wiederum Dreiviertel größer als 825 Hektar (ha) sind und deshalb vom brasilianischen Staat als Großgrundbesitz definiert werden. Dies beweist, es sind nicht vorrangig die Kleinbauern, die für die großen Flächen illegal abholzten Regenwaldes verantwortlich sind, sondern Großgrundbesitzer und Agrarfirmen.

Wer profitiert von den illegalen Rodungen des Regenwaldes?

Die Untersuchung erfolgte auf Basis der in Brasilien verpflichtenden Registrierung von Landbesitz und einem strengen Regelwerk über Naturschutz auf privatem Land, sowie der Analyse von Satellitenbildern. So konnten die Wissenschaftler*innen zeigen, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf etwa der Hälfte der privaten Grundstücke, auf denen nach 2008 Rodungen stattfanden und auf denen jetzt Soja angebaut wird, illegal gerodet wurden (43 % der Grundstücke im Cerrado, 91 % der Grundstücke im Amazonas). Das bedeutet, dass für die Rodungen keine Genehmigungen nach dem geltenden Brasilianischen Waldgesetz vorhanden waren.

Zwar werden nur sehr wenige der neuen Abholzungsflächen direkt mit Soja bepflanzt, aber dafür dienen sie als Weiden oder als Anbaufläche für andere Nutzpflanzen. Das bedeutet, dass selbst Grundbesitzer und Unternehmen, die die Regeln des Soja-Moratoriums befolgen, nämlich keine Flächen, die nach 2006 gerodet wurden für den Sojaanbau zu nutzen, von der illegalen Rodung profitieren können. Nach Schätzungen von Trase ist durch Abholzung für Weideland allein im Cerrado und Amazonas im Jahr 2018 1,1 Millionen ha Wald verloren gegangen. Diese Flächen werden häufig im Anschluss für den Sojaanbau genutzt. Einer US-amerikanischen Studie zufolge, die 2019 in PNAS erschien und die Ausweitung des Ackerlandes in Brasilien zwischen 2000 und 2014 untersuchte, werden neue Flächen für den Ackerbau nur in 20 % der Fälle aus direkter Umwandlung von natürlicher Vegetation gewonnen, 80 % waren zuvor Weideland.

Problem indentifiziert

Das Problem der Rindfleischexporte haben die Wissenschaftler der in Science veröffentlichten Studie noch genauer untersucht und die EU-Importe aus den Provinzen Mato Grosso und Pará – in denen auch Teile der Vegetationszonen Cerrado und Amazonas liegen -  zurückverfolgt. Sie haben dabei die Herkunft der Rinder, Transporte auf andere Weideflächen, die genehmigungspflichtigen Transporte zu den Schlachthäusern und den Export des Rindfleischs nach Europa unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: in 2017 waren 46 % des aus den genannten Provinzen nach Europa exportierten Rindfleischs – direkt oder indirekt – durch potentiell illegale Entwaldung belastet.

So kann eine Lösung aussehen

Die Autor*innen zeigen aber auch einen Weg aus der Problematik. Wie die Studie beweist, können die bisherigen Kontrollmechanismen keine Lösung für das Gesamtproblem bieten, da sie nur einen kleinen Teil der Branche kontrollieren. Doch es gibt einen möglichen Ausweg: die Zahlen der Studie basieren auf Auswertungen bereits existierender staatlicher Kontrollsysteme in Brasilien. Landbesitz muss registriert werden, bestimmte Gebiete dürfen nicht abgeholzt werden und Tiertransporte bedürfen einer Erlaubnis. Mittels Fernerkundung durch das Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais (INPE) wird schon seit Längerem die Entwaldung dokumentiert. Durch Rückverfolgung auf dieser breiten Datenbasis und durch strengere Kontrollen kann die Entwaldung im brasilianischen Agrarsektor reduziert werden. Darüber hinaus müssen alle landwirtschaftlich Produkte in die Kontrollen integriert werden, um das Problem der indirekten Landnutzungsänderung zu lösen. Doch dafür muss der politische Wille da sein.

Ein gutes Beispiel für Einflussnahme

Auch die Regierung Bolsonaro hat zuallererst wirtschaftliche Interessen im Blick. Wenn die Abnehmer der Agrarprodukte Druck machen, wie es zuletzt nach den Waldbränden im Amazonas passiert ist, bewegen sich die brasilianischen Soja- und Rindfleischproduzenten, um ihre Profite nicht zu gefährden, und dadurch auch die Regierung.
Ein gutes Beispiel ist der größte Fleischexporteur Brasiliens JBS. Durch Presse-Recherchen war herausgekommen, dass Rinder des Konzerns vor der Schlachtung von illegal gerodeten Flächen auf andere Weideflächen gebracht wurden. Dadurch konnten sie als „entwaldungsfreies“ Rindfleisch verkauft werden. Nach Aufdeckung dieser Praktiken strichen mehrere Investmentholdings JBS, das sich zu Null-Entwaldung in seiner Wertschöpfungskette verpflichtet hatte, aus ihrem Portfolio. Darüber hinaus verstärken in letzter Zeit große internationale und brasilianische Unternehmen den Druck auf die Regierung Bolsonaro die Entwaldung nicht weiter zu voranzutreiben.

Auch das Mercosur-Abkommen treibt die Entwaldung voran

Eine weitere aktuelle Entwicklung, die großen Einfluss auf die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes haben kann, ist das geplante Mercosur-Abkommen der EU. Handelserleichterungen zwischen den Mercosur-Staaten wie etwa Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela und weiteren assoziierten Mitliedern und der EU, würden sehr wahrscheinlich zu einer Zunahme des Imports von Agrarprodukten auch aus Brasilien führen und damit eine weitere Abholzung des Regenwaldes für Agrarflächen rentabel machen. Zwar enthält der Vertrag Verpflichtungen zur Einhaltung von Umweltstandards und zur Bekämpfung von Entwaldung, jedoch keine Sanktions- oder eindeutige Kontrollmechanismen. So ist nicht garantiert, dass die durch den Vertrag lohnenswerter gemachte Entwaldung zur Schaffung von landwirtschaftlichen Flächen, tatsächlich effektiv verhindert werden kann.

Das kann jeder tun

Das heißt eben auch, dass jeder einen Teil dazu beitragen kann, die illegale Abholzung des Amazonas zu stoppen. Unser Fleischkonsum befeuert die Importe von Soja als Futtermittel und Rindfleisch aus Brasilien. Wenn die Nachfrage sinkt, sinkt auch der Druck auf den Amazonas-Regenwald. Selbst wenn weniger Fleisch aus Brasilien importiert wird, sorgt die Nachfrage der europäischen Fleischindustrie nach südamerikanischem Soja als Futtermittel für eine weitere Zerstörung der Naturräume Südamerikas. Denn oft sind die Sojaanbauflächen Folgenutzungen auf den für die Rinderzucht gerodeten Flächen. Diese indirekte Entwaldung kann durch Zertifizierung nicht gestoppt werden. Deshalb ist es besonders wichtig den Fleischkonsum zu reduzieren und nur Fleisch mit Bio-Siegel zu kaufen, für das kein brasilianisches Soja für die Fütterung verwendet wird.

 

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